Vor den letzten drei oder vier Heimspielen war es so, eigentlich ziemlich oft in den letzten 30, knapp 35 Jahren war es so. Ich steige auf der Bottroper aus dem Bus, gehe die legendäre Hafenstraße runter und es regnet (es pisst vielmehr, wie wir hier im Ruhrgebiet umgangssprachlich sagen). Ziemlich frisch ist es natürlich auch noch, vor mir läuft meistens eine Kutte in Menschengestalt, meine Sneaker waten durch Pfützen und ich weiß dann ziemlich genau – vielleicht kriegst du heute nicht unbedingt das, was man in Brasilien das „Joga Bonito“, das schöne Spiel nennt. Aber du kriegst ziemlich sicher das, was du als RWE-Fan brauchst. Um es einmal mit Twitter-Koryphäe und Mentalitätsprediger Dr. Malte Dürr zu sagen: Am Ende sind genau das diese Spiele, die du mit jeder Faser deines Körpers annehmen und gewinnen musst. Schönheitspreise werden auf der Fashion Week vergeben, aber nicht an der Hafenstraße. Punkt.



So auch gestern, im Spiel Rot-Weiss Essen gegen die Spielvereinigung aus Bayreuth, Mitaufsteiger, Old School vs Oldschdod. Die Umstände suggerierten mir schon vor der Partie, dass das höchstwahrscheinlich kein fußballerisches Leckerli über 90 Minuten wird, kein Hacke, Spitze, 1, 2, 3, kein Joga Bonito. Vor allem in der ersten Halbzeit tat sich oft schwer, wer ein rot-weisses Trikot trug. Was aber auch den Gästen aus der Wagner-Stadt geschuldet war, die nicht mehr das dezent verunsicherte Team aus der Hinserie sind, sondern mittlerweile geschlossen, selbstbewusst und auch durchaus erfolgreich auftreten. Da geht man als Essener Anhänger beim Stand von 0:0 schon mal mit gemischten Gefühlen in die Halbzeitpause, zur Biertanke oder auf die Toilette, manche schaffen in der knapp bemessenen Zeit sogar beides, in der Hoffnung, dass in Durchgang zwei das Dingen doch noch erfolgreich gewuppt wird, dass der ominöse Ruck durch die Mannschaft geht.
Und so kam es dann auch. Deutlich strukturierter das Essener Spiel, über weite Strecken auch wirklich ansehnlich und nach einem Standard sowie einen Sonntagsschuss – nomen est omen – mit 2:0 am Ende auch absolut verdient gewonnen. Weil die Mannschaft an sich glaubte, weil sie es schlussendlich mehr wollte, als der Gast aus Bayreuth. Weil Rot-Weiss Essen gerade in der zweiten Halbzeit das auf den lädierten Rasen gebracht hat, was wir Anhänger an der Hafenstraße sehen wollen, schon immer und auch heute noch. Einsatz, Kampf, Wille. Sieht es dazu noch ganz gut aus, gerne genommen. Aber am Ende zählen nur die Punkte. Fußball, das alte Ergebnisspiel.
Und da muss ich jetzt doch mal deutlich ansetzen. Als Aufsteiger eine zwischenzeitliche Saisonbilanz von 7-11-7, acht Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Ja – es sieht rein spielerisch betrachtet nicht immer gut aus, es ist noch selten ein Joga Bonito, ein schönes Spiel über 90 Minuten. Da ist noch deutlich Luft nach oben. Dazu der Ärger, den auch ich teile, über die vielen verschenkten Punkte in der Schlussphase. Aber diese Mannschaft ist grundsätzlich intakt, sie gibt alles, in ihrer ersten Spielzeit in der 3. Liga. Die Einstellung stimmt, die Mentalität, und das wäre nicht der Fall, wenn Trainer Christoph Dabrowski ein Versager wäre. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, auch nicht für Rot-Weiss Essen, nach 14 Jahren zurück im Profifußball. Wir alle müssen und werden weiter hart arbeiten. Denn das ist es, was unseren Verein immer ausgezeichnet hat. Nur der RWE.