Es fehlt nur der Hirsch

Es ist hin und wieder schon etwas merkwürdig, mit was für Absurditäten Fußballbundesligisten ihre Social-Media-Kanäle bespielen, um ihre geneigten Anhänger bei Laune zu halten, zu überraschen oder auch mal gänzlich zu verwirren. Da gibt es unter anderem eigens geschaffene Kochshows, in denen ungeübte Jungkicker unter Anleitung eines weitgehend unbekannten Pfannenmagiers Besonderheiten aus der albanischen Küche zermatschen, Videos von Fußballprofis, die im Trainingslager auf einer schlecht gestimmten Akustikgitarre Mittelhits einer obskuren 90er-Boygroup zum versucht Besten geben oder gruselige Photoshop-Montagen, die eigentlich nur dem missratenen Workshop einer rebellischen Realschulklasse der Sekundarstufe I entsprungen sein können. In dieser Causa den Vogel zielsicher abgeschossen, das hat für mich heute der FC Bayern München.

Grafik FC Bayern, Facebook, Twitter, Instagram

Stell‘ dir einfach mal vor, du bist Julian Nagelsmann, Neutrainer der Münchener Bayern, bis dato titellos im Profibereich. Und dann gewinnst du gestern Abend den legendenbehafteten Supercup, einen Titel, den ich mir nur nach großem Zögern und nach einigem zeitlichen Abstand in das Gäste-WC hängen oder anderweitig möglichst unauffällig platzieren würde. Aber nein, was macht Julian Nagelsmann, zumindest in der hoffnungslos romantischen Vorstellung eines eventuell dezent verwirrten Bayern-Grafikers? Er fährt nach Spielschluss umgehend in seine gemütliche Berghütte irgendwo in den bayerischen Voralpen, zieht sich die abgelegten Business-Klamotten eines mittelständischen ITlers an, stellt den ominösen Supercup ganz links auf den Kaminsims und grinst freudig-diabolisch. In Erwartung weiterer, fulminanter Trophäen. Stilleben vor dem Kamin. So weit, so ziemlich grausam. Kommen wir nun aber zu den Details dieser Grafik, die mich wirklich fassungslos zurücklassen. Auf dem Holztisch, wahrscheinlich Eiche rustikal, mehrere Ausgaben eines Magazins mit seinem wohl gewollt eloquenten Abbild auf dem Titel. Dazu die obligatorische, wahrscheinlich als Wurstbrett umfunktionierte Taktiktafel ohne Wurst, eine viel zu große Bonbondose und ein leidlich schicker Mia-San-Mia-Kaffeebecher. Mensch, Julian! Gerade erst den tollen Supercup gewonnen, und dann steht da kein Sixpack Bier auf dem Tisch, keine Flasche Tequila? Angesichts dieses Triumphes? Nur schnöder Kaffee, und das auch noch wohl mitten in der Nacht? Ich kenne das etwas anders und bin ziemlich enttäuscht. Zumindest hätte ich mir ein kleines Glas Scotch gegönnt.

Auch die weiteren, sehr subtilen Elemente auf diesem Bild, einfach nur grauenhaft. Dass Nagelsmann auf einer geschmacklosen braunen Kunstledercouch sitzt, auf der auch noch ganz zufällig ein knuffiges Bayern-Sofakissen drapiert ist, fast schon geschenkt. Fassunglos machen mich tatsächlich die brutal kitschige Kuckucksuhr und der dämlich grinsende Fozzie Bär, zu Seiten des Kamins. Oder, wie meine Freundin beim Anblick dieses Meisterwerks aus der Vorhölle anmerkte: „Da fehlt nur noch das Hirschgeweih an der Wand, und ich muss mich übergeben.“ Ich bin nur sehr froh, dass mein Verein sich in solchen Dingen weitestgehend und damit schadlos zurückhält.

5 Kommentare zu „Es fehlt nur der Hirsch“

    1. Mehr unglaubwürdigen Kitsch kriegt man in einer Grafik einfach nicht hin. Ich frage mich bei sowas immer, ob das nicht vielleicht doch bewusst Verarsche sein soll. Aber wahrscheinlich meinen die das ernst.

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